Seitdem ich Waldbaden praktiziere bin ich beim Spazierengehen langsamer geworden. Ich mache sozusagen weniger Strecke. Dafür nehme ich mehr wahr. Mir geht es nicht darum, so und soviel Schritte zu machen oder beim Hundespaziergang eine bestimmte Runde in einer mir zur Verfügung stehenden Zeit zu schaffen. Ich mag es, das Tempo zu drosseln, wenn ich draußen in der Natur bin. Inzwischen nennt man das „Entschleunigen“. Wie heißt es u. a. im Yoga:
Es geht nicht um das Ziel, das du erreichen willst, sondern darum, was du auf dem Weg dahin über dich selbst erfährst.
Menschen, dich ich im Wald treffe, gehen häufig schneller als ich. Wenn sie zu zweit oder mehr sind, unterhalten sie sich angeregt. Oder sie sind mit ihrem Handy beschäftigt, haben iPods in den Ohren und hören Podcasts oder führen Telefonate. Auch bei den Wald-Yoga-Kursen erlebe ich
z. B., dass die Teilnehmenden zu Beginn – auf dem Weg zu unserem Startpunkt – nicht bemerken, wie schnell sie gehen. Meistens, weil sie miteinander sprechen. Wir gehen schnell zum Startpunkt, um ab dort langsam in den Wald einzutauchen. Klingt paradox.
Die Langsamkeit will geübt sein. Wir haben das gemütliche Schlendern verlernt. Ebenso wie das Staunen.
Achte einmal drauf: Im Gespräch (auch im Zwiegespräch mit dir selbst) bekommst du häufig nichts mit von den alarmierenden Rufen des Eichelhähers, dem Hämmern des Spechtes, dem Glucksen des Baches, den zarten Winterblühern am Wegesrand. Alles ist da – ist lebendig. Du siehst es, doch du nimmst es nicht wahr. Bist im Gespräch. Im Kopf. In Gedanken. Nicht bei deinem Körper, die Beine gehen wie automatisiert. Nicht bei dem, was um dich herum geschieht. Dabei ist nichts einzuwenden gegen einen Spaziergang im Wald mit dem Freund oder der Freundin plauschend … Der Wald ist dann wie eine Hintergrundmusik – eine bessere Kulisse, als wenn man gemeinsam durch die Fußgängerzone liefe.
Ich ermuntere dich, mal allein in den Wald zu gehen oder mit Freunden und dabei zu schweigen. Nehme ein Waldbad! Beim Waldbaden tauchst du mit allen Sinnen in den Wald ein. Lässt dich erfrischen. Reinigst dich …
Es ist so einfach. Und doch für viele Menschen erstmal ungewohnt, sich wieder einzulassen, sich hinzugeben an die Stille. Denn im Kopf ist es nie so richtig still.
Die Waldbaden- und Wald-Yoga-Angebote sind ein wunderbarer Zugang, um sich wieder mit sich selbst zu verbinden (re-connected) – sich wahrzunehmen, die eigenen Gefühle, vielleicht auch die Sehnsucht zu spüren, nach etwas, was uns genommen scheint …
Eine Übung beim Spaziergang: Anstatt dich von Gedanken ablenken zu lassen – also, von der To-Do-Liste, von den Ereignissen des vorherigen Abends, von der Vorfreude auf die Party am Wochenende und der Überlegung, was du am besten anziehen könntest … – bleib einen Moment stehen. Halte alles an, auch die Gedanken. Nehme nur deinen Atem wahr. Spürst du die Luft, die du durch die Nase ziehst? Ist sie kühl? Ist sie warm? Was passiert mit deinem Körper, während du sie einziehst? Wie bewegt sich dein Bauch dabei? Wölbt er sich leicht nach vorn? Oder heben sich die Schultern dabei? Der Brustkorb? Beobachte ein paar Atemzüge. Und dann lasse dich von deinen Sinnen leiten. Von dem, was du gerade siehst, was du hörst, was du riechst oder fühlst. Schaue nach oben in die Baumkronen! Wir schauen viel zu wenig nach oben, oder? Lasse die Gedanken vorbeiziehen und schärfe stattdessen deine Sinne. Mit der Zeit wirst du beides können. Und du wirst wählen können, wem du gerade mehr Aufmerksamkeit schenken willst, den Gedanken, dem Gespräch oder dem Schmetterling, der dich schon eine Weile auf dem Weg begleitet. Du hast ihn bemerkt. Wie schön.